
Heute möchte ich dir eine Geschichte erzählen:
Die kleine Sonja war grade sechs Jahre alt, als sie oben in ihrem Zimmer saß und ihre Eltern eine Etage tiefer hörte.
„Wat willst du denn mit der Kuschelei, du benimmst dich wie ein kleines Kind“, hört sie den Vater ziemlich barsch sagen.
Kurze Zeit später hört sie ihre Mutter weinen.
Zeitsprung:
Sonja ist neun, als sie das erste Mal verknallt ist, in einen Schulkameraden. Sie erzählt ihrer Freundin, wie toll sie Stefan findet. Später im Schwimmunterricht, kommt ein Mädchen, das Sonja schon länger auf dem Kieker hat, in die Schwimmhalle und zieht sie lauthals damit auf. Vor den Augen der ganzen Klasse und, du ahnst es vielleicht, vor den Augen von Stefan.
Sonja möchte vor Scham im Boden versinken. Außerdem ist sie wütend auf ihre Freundin, weil die sie offenkundig verraten hat. Doch sie schweigt. Tut so, als würde ihr das Gehänsel nichts ausmachen.
Nächster Zeitsprung:
Sonja ist zehn, es ist Sommer und im Freibad lernt sie Sascha kennen. Er ist ein Jahr älter, sie halten Händchen. Hier und da ein Küsschen. Sie ist ein bisschen verliebt. Sascha fährt in Urlaub. Soweit alles tippi toppi.
Einige Tage später ist Sonja mit ihrer Mutter bei deren Freundin. Völlig unerwartet zieht die Mutter eine Postkarte aus ihrer Tasche, wedelt damit triumphierend in der Luft herum:
„Guck mal! Die Sonja ist verlie-hiebt! Die Sonja hat nen Verehrer!“ Die beiden Frauen lachen und ziehen sie weiter auf.
Sonja merkt, wie sie rot wird, ihr wird heiß. Sie ist wütend und läuft beschämt nach Hause. Sie fühlt sich wieder verraten. Weinend schmeißt sie sich aufs Bett.
In diesem Jahr geht sie nicht mehr ins Freibad. Sascha sieht sie nie wieder.
Nächster Zeitsprung:
Sonja ist dreizehn und verliebt sich in Arne. Sie sagt niemandem etwas davon. Bis ein Typ aus der Clique anruft und sie ausfragt. Irgendwann gibt sie nach und erzählt, was sie für Arne empfindet.
Dann hört sie es. Das Lachen im Hintergrund. Arne. Er hat mitgehört. Wieder verraten. Wieder beschämt. Wieder Wut.
Jahrzehnte lang erlaubt sie sich danach nicht mehr, ihre Liebe wirklich in aller Tiefe zuzulassen. Oder sie offen zu kommunizieren. Sobald sie das auch nur ansatzweise tun möchte, steckt ihr ein Kloß im Hals und im Herzen.
Bis zu diesem bedeutsamen Tag, an dem sich alles ändern sollte.
Sie sitzt auf der Arbeit. Und da ist dieser Mann. Sie weiß, dass er nichts von ihr will und doch: Sie spürt, dass sie es ihm sagen will und MUSS. Sie spürt, dass es an der Zeit ist, einen Jahrzehnte alten Schatten ins Licht zu führen.
Sie nimmt all ihren Mut zusammen und teilt ihm ihre Liebe mit.
In dem Moment, wo sie das tut, spürt sie den Raum, der sich in ihr öffnet. Sie spürt, dass es keine Rolle spielt, was danach passiert. Sie hat keine Erwartung. Sie weiß, es ist genau jetzt der Zeitpunkt, zu ihrer Liebe und damit zu sich selbst zu stehen. Den Teil in sich, der so lange nicht dein durfte, zu befreien.
Allein das zählt.
An diesem Tag ändert sich alles. Nein, sie sind kein Paar geworden. Das war auch gar nicht das Ziel. Doch sie bekommt eine der wertschätzensten Nachrichten, die sie je bekommen hat als Antwort.
Denn er kann das einfach so von ihr annehmen. Er beschämt sie nicht, sondern freut sich, dass sie ihre eigene Liebe endlich annehmen kann und damit den Teil von sich, der immer lieben wollte, jedoch nicht mehr durfte.
Seit diesem Tag ist sie mit der Liebe im Frieden. Und mit ihrer Vergangenheit.
Ging das einfach so? Nein 😊. Sie hat lange Zeit mit ihren Schatten getanzt. Durfte lernen, sich selbst so sehr zu lieben, dass sie diesen Teil von sich zurück zu sich nach Hause holen konnte, in dem Bewusstsein, dass sie Liebe IST. Und, dass ein Leben ohne zu lieben nur ein halbes Leben ist.
Erlaubst du dir, in vollem Umfang zu lieben?
Ich wünsche dir eine zaubervolle Woche!
In Liebe,
Deine Silvia Meerbothe
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In Lak’ech! 🙏